STEYR. Die Weihnachtszeit ist die stillste Zeit im Jahr. Oder vielleicht doch nicht? Dank unseres Smartphones sind wir ständig und überall erreichbar. Die Zeit für Ruhe und Besinnlichkeit wird immer knapper. Die Folge daraus: Stress – und das oft schon im Kindesalter. Prim. Dr. Martin Barth aus dem Pyhrn-Eisenwurzen Klinikum Steyr rät deswegen zu einer bewussten Handy-Entwöhnung im Advent ...

Pünktlich 6.30 Uhr am Morgen beginnt das Smartphone neben dem Bett zu surren und vibrieren: Die Weckfunktion reißt uns aus dem Schlaf. Bevor wir richtig wach sind, greifen wir das erste Mal zum Handy und scrollen im Halbschlaf durch Facebook, Instagram und Co. So geht’s bei vielen dann den ganzen Tag weiter. Durchschnittlich alle sieben Minuten greifen wir zum Smartphone. Nachrichtendienste, Apps und Push Mitteilungen ziehen unsere Aufmerksamkeit immer wieder Richtung Telefon.

Der Stress auf Social Media
Jugendliche ab 14 Jahren verbringen täglich über 8 Stunden mit Medien – rund 1,5 Stunden davon beim Scrollen durch Soziale Medien. Aber warum eigentlich? „Soziale Medien stimulieren unser Belohnungssystem und erzeugen eine Scheinwelt. Wir haben auf Facebook und Co scheinbar hunderte Freunde, die uns mit einem „gefällt mir“ scheinbar bestärken beziehungsweise unterstützen – das wiederum gefällt unserem Gehirn. Darüber hinaus haben die Timelines kein Ende. Der Ausstieg daraus ist eine reine Willensfrage und damit mit Stress für die Psyche verbunden“, so Prim. Dr. Martin Barth, Leiter der Psychiatrie am PEK Steyr.

Noch schwieriger ist der Ausstieg für Kinder und Jugendliche „Die Impulskontrolle, also die Fähigkeit die eigenen Handlungen zu kontrollieren und spontanen, inneren Impulsen nicht nachzugeben ist bei Kindern und Jugendlichen noch nicht so stark ausgeprägt, wie bei Erwachsenen. Es fällt ihnen also schwerer, sich von einer Beschäftigung beziehungsweise vom Bildschirm zu lösen“, setzt der Experte fort.

Wann ist es zu viel?
Über 60 Prozent der ÖsterreicherInnen nutzen Soziale Medien. Das größte Segment bildet die Nutzergruppe der 16- bis 24-Jährigen. „Richtig dosiert bringt Medienkonsum Freude mit sich. Wichtig ist jedoch, den Bezug zur realen Welt nicht zu verlieren. Solange Erwachsene, Kinder und Jugendliche unterschiedlichen Interessen und Hobbys nachgehen und nicht nur im Internet Ihre Zeit verbringen, ist das Handy kein Problem“, so der Abteilungsleiter. „Verlieren wir das Interesse an anderen Aktivitäten, vernachlässigen wir unsere Pflichten wie die Schule oder die Arbeit oder verbringen wir lieber Zeit online, als im realen Leben mit unseren Freunden, ist Vorsicht geboten“, rät der Experte.

Handy im Bett – Ein No Go
Kurz vor dem schlafen gehen noch einmal die Social Media Timelines durchswipen oder das Handy gar ins Bett mitnehmen? Davon rädt Prim. Dr. Barth dringend ab: „Vor dem Schlafen gehen bzw. im Schlafzimmer hat das Handy nichts verloren. Das blaue Licht des Bildschirmes stört den Schlaf-Wach Zyklus des Körpers. Das bedeutet wir brauchen länger, bis wir eingeschlafen sind und schlafen dann auch schlechter.“ Gerade für Kinder und Jugendliche ist ausreichender und guter Schlaf jedoch entscheidend, denn „viele Entwicklungsprozesse laufen in der Nachtruhe ab“.

Den Advent zur Reduktion nutzen
Weihnachtsmärkte, Adventspiele, Kekserl backen etc. – der Advent bietet viele Aktivitäten und Ablenkung an, um das Handy mal beiseite zu legen und zu genießen – nicht zu swipen oder zu posten. Ablenkung ist bei der „Entwöhnung vom Smartphone das A und O. „Eines ist klar: Eltern bestimmen bei Ihrem Nachwuchs die Zeit am Bildschirm. Wenn die Bildschirmzeit jedoch reduziert werden soll, dann muss das einerseits klar und wertschätzend kommuniziert werden und andererseits sollten Alternativen geboten werden, die den Nachwuchs so sehr beschäftigen, dass die virtuelle Welt nicht mehr so spannend erscheint. Wichtig ist auch, dass die Eltern hierbei auch eine Vorbildwirkung haben. Wenn das Handy beispielsweise ab dem Abendessen weggelegt werden soll, dann sollte sich der gesamte Haushalt daranhalten“, erklärt Prim. Dr. Martin Barth.

Unten: Prim. Dr. Martin Barth, Leiter der Abteilung für Psychiatrie am PEK Steyr. Foto © OÖG