Alle Stills © Wilhelm Singer

STEYR. Im ersten Teil von Wilhelm Apoyer Singers neuester Arbeit „E.M. is dialing up the Man Upstairs, nuking humanity, while some glitchy code recreates them in a state of gender indeterminacy“, einer Reihe von insgesamt zwölf archivalischen Wiederfindungen, entfaltet sich eine radikale Auseinandersetzung mit der Wiederherstellung menschlichen Daseins im posthumanen Zeitalter. Die szenografisch und skulptural in- szenierte Medienarbeit wird durch performative Elemente ritueller Beobachtung erweitert und entwirft einen mehrdimensionalen Erfahrungsraum.

Zentraler Ausgangspunkt dieser Inszenierung ist die „Geburt“ – als Simulation, als Protokoll und als ritual- hafte Geste, die sich durch permanente Wiederholung und Nachahmung gleichsam erschöpft und neu in zwei Möglichkeitsformen – einerseits durch amorphe Körper als Geburtsmaschine, andererseits in der Präzision digitalen Abtastens, einer Datenextraktion, durch die kybernetische Kopiermaschine „Echo- press“ – darstellt. In einer Welt, die den Menschen als handelndes Subjekt nur noch aus zweiter Hand zu kennen scheint, wird das Fehlen einer klar definierten Identität zum Störfaktor – zum „Glitch“ im Ma- schinencode. Genau dieses Nebeneinander von Analogem und Digitalem, von rituellen Gesten und Datenströmen, bündelt „Episode 1 – Geburtskapelle: Disruption! Der letzte Schrei!“ zu einem vielschichti- gen Ausdruck.

Die Klangästhetik, gespeist aus simulierten Narrativen, ist dabei weit mehr als bloße Begleitung: Sie bildet einen fließenden Resonanzraum, in den das Publikum sprichwörtlich hinein schreitet. Menschliche Körper tauchen darin als flüchtige Echos auf, als unsterbliche Funken eines analogen Gedächtnisses. Anklänge an Andy Warhols absurde Drehbücher mit ihren minimalistischen Strukturen der überdehnten Wiederholungs- technik, die sich zu bizarren Monologen ausweiten. Gleichzeitig erinnert die Arbeit an die Potenz dieser Repetitionen, Regimegewalt sichtbar zu machen, ohne dabei ein fertiges Narrativ anzubieten.

Als zusätzlicher Kommentar durchweht ein dystopisches Raunen die Inszenierung: Referenzen an Elon Musks und Eliezer Yudkowskys Vorstellungen einer allmächtigen, gleichgültigen Künstlichen Intelligenz stellen die Frage nach der Zukunft des Menschen in den Raum – einer Zukunft, in der menschliches Leben im Zweifelsfall als Kollateralschaden betrachtet wird. Dieser radikale Ausblick auf den Zerfall aller Gewiss- heiten findet in „Episode 1 – Geburtskapelle“ eine künstlerische Spiegelung in den omnipräsenten Fehlern, die in digitalen Produktionsstätten auftauchen und uns an jene Unwägbarkeiten erinnern, die weder Codes noch Rituale je ganz beherrschen können.

So oszilliert „Episode 1 – Geburtskapelle“ zwischen Ritual und Simulation, zwischen dokumentarischer Nüch- ternheit und theatraler Überhöhung. Die konsequente Verbindung aus Performance, Skulptur, Klangkom- position und Medienkunst öffnet einen experimentellen Raum, in dem die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion, Original und Kopie, Subjekt und Objekt verschwimmen. Wer sich auf die Arbeit einlässt, findet in dieser Geburtskapelle eine sinnlich verdichtete Reflexion über die Ungewissheit menschlicher Existenz – im Angesicht immer weiter voranschreitender technologischer Regime und deren ritueller Befragung.

Mit „Episode 1 – Geburtskapelle“ legt Wilhelm Apoyer Singer den Grundstein für eine Reihe von Episoden, die als Gegenentwurf zum linearen Fortschrittsglauben ebenso verstanden werden können wie als kritisch- ironischer Kommentar auf unseren von Simulationen und Wiederholungen geprägten Alltag. Der Blick rich- tet sich dabei immer auch auf unsere eigene Mitverantwortung: Auf die Frage, wann wir – wie Elon Musk in seiner drastischen Analogie – zum Straßenbauer werden, der ungefragt den Ameisenhaufen, sprich: die Menschheit, überrollt.

Gerade dieses Spannungsverhältnis zwischen Hoffnung auf Wiederherstellung und der latenten Bedrohung durch Machtsysteme verleiht der gesamten Arbeit ihre subversive Kraft. „Episode 1 – Geburtskapelle“ eröff- net einen ambivalenten Erkundungsraum, in dem sich dadaistische Spielart, posthumanes Denken und digi- tale Praxis zu einer neuen, irritierenden Choreografie menschlicher und maschineller Gegenwart verbinden.

Die Dramaturgie von „E.M. is dialing up the Man Upstairs, nuking humanity, while some glitchy code recreates them in a state of gender indeterminacy“ nimmt ihren Anfang mit „Geburtskapelle – Episode 1“ und kulminiert in der Church of St. John of Prè in Genua – in einer aus künstlerischer Perspektive gedachten Wiederholung des Jetzt, einer finalen Schleife zwischen Erinnerung und Gegenwart.

Vernissage/ Live Performance: Samstag, 26. April 2025, 10.30 Uhr

Ausstellung: bis Samstag, 10. Mai 2025 (1. Mai geschlossen)
Besucherzeiten: Do 10–14 Uhr/ Fr, Sa 10–18 Uhr
Live Performance: Do bis Sa 14–16 Uhr

KUNSTRAUM POHLHAMMER
Stadtplatz 29/ 1.Stock/ 4400 Steyr/ 0043 664 38 23 191

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