LESERBRIEF. Sehr geehrter Herr Bürgermeister Vogl! Offenbar gibt es konkrete Pläne, im Zuge eines Neubaus des Gebäudes Wehrgrabengasse 6, einen Gastronomiebetrieb und eine Freizeitanlage in Form einer künstlichen Flusswelle zu errichten. Es soll dazu der Wehrgrabenkanal unmittelbar unterhalb der Inneren Reiterbrücke und oberhalb der Zeugstätte 3, also in der roten Gefahrenzone für Hochwasser, aufgestaut und ein Zugang für Kajaks und Surfer geschaffen werden.
Die Anlage soll in der Folge ganzjährig täglich von 8:00 bis 22:00 Uhr betrieben werden. Obwohl es sich hier um ein geschlossenes Siedlungsgebiet in der Steyrer Altstadt handelt, fand dazu bislang keine Anrainerbefragung statt. Der Fluss Steyr ist in diesem Bereich dreigeteilt und der Innere Wehrgraben wird immer wieder von Hochwassern heimgesucht; jene von 2002 und 2013 sitzen allen Anrainern noch tief in den Knochen. Durch die Klimakrise und die damit verbundenen Extremwetterlagen ist eine Zunahme solcher Ereignisse zu befürchten und eine künstliche Welle könnte Verklausungen und damit verbunden wieder Überschwemmungen verursachen.
Am Ufer des Wehrgrabenkanals und auf den Schwemmbrücken spielen häufig Kinder. Es bestünde hier Lebensgefahr, sollte das Wasser im Kanal mehr Zug und mehr Tiefe erhalten. Zudem würde der Grundwasserspiegel steigen und dann dringt Wasser durch das Konglomerat in unsere Häuser ein. Experimente mit dem Wasserstand sind aus Sicherheitsgründen abzulehnen. Es wird jedenfalls die Erhebung des Ist-Zustandes für die Beweissicherung erfolgen müssen, denn die Realisierung eines solchen Flusswellen-Projektes würde wohl Schadenersatzklagen zur Folge haben.
Der gesamte Wehrgrabenkanal steht seit 1987 als bedeutendes industriegeschichtliches Zeugnis unter Denkmalschutz. Dieser Altstadtteil ist heute ein Wohnbezirk, dicht besiedelt und verkehrsberuhigt. Seit 2015 ist hier das Schutzensemble Steyrdorf ausgewiesen. Mit seinem naturdenkmalgeschützten Baumbestand und den historischen Brücken und Schwemmbrücken ist der Innere Wehrgraben nicht nur bei seinen Bewohnern, sondern auch bei Spaziergängern und Touristen als geschlossenes Ensemble geschätzt und ein beliebtes Fotomotiv.
Außerdem handelt es sich um einen einmaligen innerstädtischen Natur- und Erholungsraum, in dem eine ganze Reihe streng geschützter Tierarten vorkommen (u.a. die „Wehrgraben-Biber“ sowie seltene Vogel- und Fledermausarten). Der Fisch- und Flusskrebsbesatz in diesem Flussabschnitt obliegt dem Fischereirecht; unsere bestehenden Hausbrunnen obliegen dem Wasserrecht. Oberösterreich ist im Rahmen der Renaturierungsverordnung der EU verpflichtet, solche Naturräume zu erhalten bzw. wiederherzustellen.
Wir, die Bürger:innen-Initiative "Rettet den inneren Wehrgraben" sind nicht grundsätzlich gegen die Errichtung einer künstlichen Flusswelle in oder um Steyr, aber an geeigneter Stelle und nicht im dichtbewohnten Altstadtbereich, welcher noch dazu dem Ensemble- Schutz unterliegt.
Hier fehlen der Platz und die nötige Infrastruktur (u.a. Parkplätze, Sanitäranlagen, Lagermöglichkeiten). Die Beeinträchtigungen der Lebensqualität der Anrainer sowie die zu erwartende Wertminderung unserer Häuser sind inakzeptabel. An den künstlichen Wellen in Salzburg und Ebensee wurde gesundheitsgefährdender Lärm von 91,1 bzw. 97,2 Dezibel gemessen. Der erhaltenswerte Charakter eines sensiblen Teils der Steyrer Altstadt würde durch eine künstliche Flusswelle völlig verändert und zu einer „Fun-Meile“ degradiert. Der Fortbestand des Wehrgrabens wurde in den 1980er Jahren bereits einmal durch die Zivilcourage seiner Bewohner erwirkt. Allenfalls würden wir dieses aberwitzige Projekt, erneut mit allen rechtlichen, politischen und medialen Mitteln bekämpfen.
Wie, die Anrainer des Inneren Wehrgrabens fordern Sie daher geschlossen dazu auf, diesem Projekt einer künstlichen Flusswelle unterhalb der Inneren Reiterbrücke von vorneherein eine Absage zu erteilen!
Mit sorgenvollen Grüßen, die Bewohner des Inneren Wehrgrabens.
Ein Leserbrief der Bürger:innen-Initiative "Rettet den inneren Wehrgraben" vertreten durch
- Otto Klement, Wehrgrabengasse 11, Tel: 0676/9378720,
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Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. - Erich Zeindlhofer, Fabrikstraße 11, Tel: 0664/4158064,
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Der Inhalt dieses Leserbriefes wurde von der Redaktion nicht auf Richtigkeit und/oder Vollständigkeit geprüft und stellt nicht notwendiger Weise die Meinung der Redaktion dar. Für Rückfragen stehen wir per Mail unter
Unten: Innerer Wehrgraben, Reiterbrücke. Foto © Bürger:innen-Initiative "Rettet den inneren Wehrgraben"